Mit dem Krieg in der Ukraine stehen für europäische Regierungen und auch international Fragen der Energieversorgung auf der Tagesordnung – die Abhängigkeit von russischem Gas bereitet Politikern ebenso viel Kopfzerbrechen wie der Industrie. Die Unsicherheit wirkt sich auf die Aktienkurse aus – hier knicken viele Werte ein. An den Rohstoffbörsen hingegen steigen die Preise. Nicht nur Öl und Gas, vor allem der Weizenpreis sorgt für Unruhe. Die Ukraine gilt zu Recht als Kornkammer. In der nächsten Zeit wird sie ihrem Ruf wohl nicht gerecht werden.
Weizen in unserer Ernährung
Der Weizenpreis betrifft Menschen weltweit – unabhängig von den Ernährungsgewohnheiten ist das verbreitete Getreide in zahlreichen Lebensmitteln präsent. Da wäre vor allem Brot. Knuspriges, ofenwarmes Weizenbrot, frische Brötchen, aber auch Fladenbrote werden überwiegend aus Weizen gebacken. Überall dort, wo Brot ein gängiges Grundnahrungsmittel ist, kneift ein steigender Weizenpreis empfindlich ins Budget.
Doch auch Nudeln sind ohne Weizen kaum denkbar, zumindest in Europa. Leckere Pasta al dente ist aus Hartweizenmehl hergestellt, und Eiernudeln, Spätzle oder Ravioli kommen ebenfalls nicht ohne Weizen aus. Zumindest in den Industriestaaten stehen Verbraucher inzwischen dem Weizen skeptisch gegenüber. Denn moderne, genetisch „optimierte“ Weizensorten enthalten sehr viel höhere Anteile des Klebeeiweiß Gluten, das Allergien hervorrufen kann. Glutenhaltige oder alternativ spezielle, glutenfreie Lebensmittel werden dementsprechend im Handel kenntlich gemacht. Hier weichen immer mehr Kunden aus auf „alte“ Getreidearten wie Dinkel oder Emmer.

Steigende Weizenpreise – Ursachen & Hintergründe
Dass der Weizenpreis gerade jetzt steigt, kommt nicht von ungefähr. Die Ukraine ist der fünftgrößte Weizenexporteur weltweit. Und Russland baut ebenfalls weiträumig Weizen an – insbesondere im Grenzgebiet zur Ukraine. Dass der Krieg dort auf beiden Seiten der Grenze eine Aussaat zumindest in diesem Jahr unmöglich macht, liegt auf der Hand. Und die Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind oder aus dem Rohstoff Weizen verarbeitete Produkte herstellen, befinden sich schon jetzt in Strömen auf der Flucht.
Ein sinkendes Angebot gegenüber zumindest gleichbleibender Nachfrage ist die Folge. Überdies bleibt der Bedarf nicht wirklich gleich. Die Bevölkerungszunahme in Ländern, die in großen Mengen Weizen importieren, sorgt dafür, dass die Nachfrage eher noch steigt. So ist staatlich subventioniertes Brot in Ägypten zumindest für die Armen überlebenswichtig, und das sind an die 40% der Bevölkerung. Die wiederum übersteigt schon jetzt 100 Millionen, alle sieben Monate sind es eine Million Menschen mehr. Kann der Brotpreis – der sich seit den späten achtziger Jahren nicht geändert hat – nicht gehalten werden, ist mit starken sozialen Verwerfungen zu rechnen.
Leider ist ein Taumeln des Angebots gegenüber der Nachfrage nicht die einzige Ursache steigender Weizenpreise. Spekulanten tun ein Übriges, die Rohstoffpreise in die Höhe zu treiben – sei des durch Spekulationen direkt an den Rohstoffbörsen oder auf Derivate, die den Kurs von Commodities wie Weizen, Öl oder Gas abbilden. Hinzu kommt das gezielte Horten von Getreide oder Mehl, um die Güter zu höheren Preisen später loszuschlagen, eine Strategie, der mancherorts nicht wirksam genug begegnet wird.
Auswirkungen auf den globalen Handel
Der Weizenpreis hat sich gegenüber dem Sommer 2021 mittlerweile verdoppelt. Kostete eine Tonne Weizen im Juli 2021 noch 197,25 Euro, erreichte der Rohstoffkurs am 7. März 2022 einen Spitzenwert von 422 Euro. Es ist nicht abzusehen, ob sich die Preisspirale weiter aufwärts drehen wird. Anzunehmen ist, dass der weltweite Handel mit Weizen und vermutlich auch anderen Grundnahrungsmitteln wie Hülsenfrüchten zumindest abflauen, wenn nicht zum Teil ins Stocken geraten wird. Länder, die hofften, ihren Bedarf an Weizen statt in der Ukraine in Russland decken zu können, werden überwiegend leer ausgehen – vor allem, wenn der Weizenpreis das Budget um ein Vielfaches übersteigt.
Thema mit Sprengkraft: Weizenpreis und Getreidehandel
Nicht die Energieversorgung sollte bei der Analyse des Krieges in der Ukraine im Vordergrund stehen, sondern der weltweite Weizenhandel. Die enormen Weizenfelder der Ukraine trugen über Jahrzehnte dazu bei, den sozialen Frieden in weit entfernten Ländern in einem fragilen Gleichgewicht zu halten. Das ist nun bedroht – nicht nur durch die wohl ausbleibenden Ernten, sondern auch durch die Spekulation an den Rohstoffbörsen. Möglicherweise ist es noch nicht zu spät, durch straffe Maßnahmen durchzusetzen, dass man „mit dem Essen nicht spielt“.